Die junge Frau sitzt vor ihrem Laptop – allein. Ihre neuen Mitstudierenden sind nicht mehr als unbekannte Namen auf dem Bildschirm, kaum jemand hat seine Kamera an und zeigt sein Gesicht. So hat sie sich ihren Start an der Uni nicht vorgestellt! Ihr Studium finanziert sie sich mittels Stipendium, denn finanziell können ihre Eltern sie nur wenig unterstützen.
Schon in normalen Zeiten ist der Studienstart für junge Menschen eine große Herausforderung, die mit erwartungsvoller Neugier, vielen Hoffnungen aber auch Risiken und Ängsten verbunden ist; für jene, deren Eltern nicht studiert haben und die oft sogar die ersten Studierenden überhaupt in ihrer Familie sind, noch mehr als für die Sprösslinge von Akademikern.
Das Wintersemester 2020/21 ist schon das zweite Semester, das wegen der Covid-19-Pandemie weitgehend virtuell stattfindet. Die anhaltende Pandemie befördert das Gefühl fehlender Perspektive, kappt Hoffnungen und droht, die Kluft zwischen Studienkollegen untereinander zu vertiefen.
Rund 82 Prozent der Studienanfänger bezeichnet den fehlenden Kontakt zu den Mitstudierenden als den größten Nachteil der Online-Lehre. Studierende der „ersten Generation“ trifft das Problem besonders. Sie sind auf die Unterstützung ihrer Mitstudierenden angewiesen, denn für ihre Eltern und Geschwister ist die Uni-Welt oft fremdes Terrain. Kinder aus Arbeiterfamilien fühlen sich schon in normalen Zeiten am Anfang in der Uni oft fehl am Platz, sagt Bettina Kohlrausch, Bildungssoziologin und Professorin an der Uni Paderborn (D). Sie kämen oft in ein völlig neues soziales Umfeld – und das fühle sich besonders fremd an, weil sie meist kaum enge Bezugspersonen hätten, die studiert haben. Deshalb brauche es viel Interaktion mit anderen Studierenden und Lehrpersonen, um ihre neue Position zu finden. Genau das aber fehle in Zeiten der Pandemie. In einer normalen Vorlesung können die Studierenden einfach einen Sitznachbarn um Rat fragen, wenn sie nicht weiterwissen. Das ist im Online-Studium schwierig. Gespräche nur unter Studierenden, die der Professor nicht hört, gibt es nicht. Dadurch können sich auch nur schwer Freundschaften entwickeln.
Noch einschneidender als die sozialen Unsicherheiten dürften für viele Studierende die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sein. Rund 40 Prozent der Studierenden haben wegen der Pandemie Job verloren, viele davon sind auf einen Nebenjob angewiesen.